"Allen Kranken, oder beschädigten Officieren, wie auch Reutern, Dragonern und Soldaten, oder andere, so weder zu Land noch zu Wasser, füglich können fortgebracht werden, mögen in der Stadt verbleiben, un soll ihnen dort nöthige Personen, so man daselbst lassen wird, biß zu ihrer vollkommenen Genesung gepfleget, und sie mit Artzneyen und Wartung, um ihr Geld versehen, und nach erlangter Gesundheit, Paßporten, sich nach Frankreich zu begeben, ertheilet, oder aber Schiffe verschafft werden, sich in Sicherheit nach Mont-Royal zu führen." (3)
Die in derartigen Verträgen zutage tretende Humanität erfuhr aber in den napoleonischen Kriegen keine Fortsetzung, obwohl zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Zahl der Soldaten und damit die Zahl der Verwundeten stark anstieg. Nach der Schlacht bei Leipzig 1813 soll es drei Wochen gedauert haben, bis der Kriegsschauplatz von den über 90.000 Toten und Verwundeten geräumt war. (4) Damals schon fünfzig Jahre vor der Gründung des Roten Kreuzes, entstanden Frauenvereine mit dem Ziel, die Soldaten an der Front zu unterstützen. Als "Obervorsteherin" des Gesamtvereins fungierte die verwitwete Herzogin Amalia von Pfalz-Zweibrücken, den Bezirksverein Eichstätt leitete Frau Eleonore Freifrau von Gravenreuth. Ein Bericht in den Eichstätter Intelligenzblättern von 1814 gibt nähere Auskunft über die Ziele des Eichstätter Frauenvereins, der am 19. Januar 1814 vom bayerischen König "huldvollst" genehmigt wurde: "Nach dem nachahmungswürdigen Beispiele vieler größeren Städte hat sich dahier ebenfalls ein Frauen = Verein gebildet, dessen Hauptzweck es ist, die Leiden der tapfern aber verwundeten Krieger, oder derjenigen, welche durch Krankheiten den Anstrengungen ihrer Bestimmung unterlagen, durch brauchbare milde Beiträge jeder Gattung zu mildern, und die Heilung durch Vermehrung der diesfälligen Bedürfnisse an Leinwand, Charpien, Bandagen, Hemden und dgl. zu befördern; und nach dessen weiteren Zwecke, wenn die gesammelt werdenden Geldbeiträge hiezu hinreichen, einzelnen durch den Krieg veranlaßt wurden, einige Unterstützung gereicht werden soll, dessen Vorhaben endlich ist, das Elend der Kriegsgefangenen, in so ferne diese durch Krieg unglücklichen Mitmenschen der Unterstützung bedürfen, durch Wäsche und Kleidungsstücke oder ähnliche milde Gaben für die Kranken ebenfalls zu verringern. (5) Im Jahre 1814 etablierte sich auch in Kipfenberg als Vorläufer des Roten Kreuzes ein "Filial-Frauenverein", der dem "Mutter-Frauenverein" der damaligen Kreishauptstadt Eichstätt im Oberdonau-Kreis assoziiert war. Die Frauenvereine entfalteten eine rege Sammeltätigkeit, so dass bereits am 10. März 1814 eine Sendung von Kleidungsstücken und Verbandsmaterial an das Königl.Bayer.Armeekorps abgeschickt werden konnte. Die Kipfenberger konnten neben einem Geldbetrag in Höhe von 70 Gulden und 28 Hemden beisteuern. (6) Offensichtlich waren aber nicht alle eingesandten Liebesgaben "kriegstauglich", denn in einem Schreiben an die Filial-Frauenvereine wurde darauf hingewiesen, die Kleidungsstücke sollten aus Leinen sein, "indem wollene Stoffe Krankheitsgifte leichter in sich aufnehmen, und verbreiten, auch wollene Socken leicht zu Fußverletzungen bei den Soldaten Anlaß geben." (7) Die Vorräte der Frauenvereine wuchsen in kuzer Zeit derart an, dass sie den Bedarf des bayerischen Heeres überstiegen. Daher fassten die Vereine den Beschluss, "die Wohltaten, welche die verwundeten oder kranken vaterländischer Krieger nicht mehr bedurften, zum Theile Witwen und Waisen der im Felde gebliebenen Vaterlandsverteidiger zuzuwenden, zum Theil aber auch solchen durch den Krieg dienstuntauglich gewordenen Soldaten, und den aus der Gefangenschaft, oder den Lazarethen heimkehrenden Kriegern noch einige Unterstützung zu gewähren. (8) Nach den Napoleonischen Kriegen lösten sich die Frauenvereine, die ihre Wohltätigkeit noch nicht auf den zivilen Sektor ausdehnen wollten, wieder auf. Sie sollten 1866 im Krieg um die deutsche Einigung eine Renaissance erfahren. Die Erfahrungen aus den Freiheitskriegen veranlassten 1820 den preußischen Regimentsarzt August Wasserfuhr zu folgenden Vorschlag für die sogenannte Militär-Medizinalverfassung: "Möchten endlich alle Nationen den Bund schließen, auch die gefangenen, kranken und verwundeten Krieger für unfeindlich zu erklären und sich verpflichten, nicht nur alle Hospitäler... frei wirken zu lassen, sondern ihnen auch die nötige Unterstützung zu gewähren. Alle Kranken und Verwundeten, welche in feindliche Hände gerathen, müßten daher ihrem bestehenden Hospital und ihren Ärzten so lange gelassen werden, bis sie hergestellt sind, und alle wirklichen Invaliden müßten ohne weitere Auswechslung, mit Pässen versehen, nach ihrem Vaterlande frei zurückkehren dürfen. (9) Diese revolutionären Forderungen ließen sich aber damals noch nicht in internationale Verträge umsetzen. Im Jahr 1859 kämpfte das Königreich Sardinien-Piemont im Bund mit Frankreich gegen Österreich um die staatliche Einheit der Apenninen-Halbinsel. Der Krieg fand mit der Schlacht von Solferino südlich des Gardasees am 24. Juni 1859 sein Ende. Über dieses für beide Seiten verlustreiche Gefecht schrieb der Genfer Henry Dunant ein Buch mit dem Titel "Eine Erinnerung an Solferino" (10) Dunant war damals zufällig auf das Schlachtfeld mit seinen 40.000 Toten und Verwundeten geraten. In einer Denkschrift des Roten Kreuzes heißt es: "Die Hilfe des damaligen Sanitätsdienstes ist völlig unzureichend. Beeindruckt von dem Elend greift Dunant helfend zu - ohne alle Hilfsmittel und Erfahrungen, aber erschüttert von dem menschlichen Leid um ihn herum. Er holt Hilfe, wo er sie findet, und vollbringt in der kleinen Kirche Castiglione ein Hilfswerk im Kleinen für die dort untergebrachten 500 Verwundeten aller Nationen. (11) Seine aufrüttelnde Schrift sandte Dunant an die damals in Europa maßgeblichen Persönlichkeiten un er erntete breite Anerkennung. Gustave Moynier, der Vorsitzende einer gemeinnützigen Gesellschaft in Genf, gab Dunant die Gelegenheit, über seine Pläne zu sprechen. Im Anschluss an den Vortrag bildete sich ein Komitee aus fünf Personen, das konkrete Vorschläge ausarbeiten sollte, wie man verwundeten Soldaten helfen könne. Aus diesem Fünferkomitee, das am 17. Februar 1863 erstmals zusammentrat, ging das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hervor. Nach verschiedenen Anfangsschwierigkeiten (12) kam es im August 1864 zur I. Genfer Konvention; die Konferenz wurde von 16 Staaten mit 26 Deligierten beschickt. Die Konvention legte in zehn Artikeln u.a. fest: "Die Ambulancen und Militärspitäler werden als neutral anerkannt und demgemäß von den Kriegsführenden geschützt und geachtet werden, solange sich Kranke und Verwundete darin befinden. Eine auszeichnende und überall gleiche Fahne wird für Spitäler, Ambulancen und Evacuationen angenommen. Desgleichen wird für das neutralisierte Personal eine Armbinde zugelassen. Fahne und Armbinde tragen das rothe Kreuz auf weißem Grund." (13) Das oberste Ziel der Genfer Konvention war, "die vom Kriege unzertrennlichen Leiden zu mildern, unnötige Härten zu beseitigen und das Los der auf dem Schlachtfelde verwundeten Soldaten zu verbessern." (14) In Deutschland entstand das Rote Kreuz kontinuierlich seit 1864. Von den Staaten des Deutschen Bundes wurde die Genfer Konvention zuerst in Baden 1864, dann von Preußen 1865 ratifiziert. Staaten wie Sachsen, Hannover, Württemberg und Bayern schlossen sich im Sommer 1866 an, als der deutsche "Bruderkrieg" ausbrach. (15) Seit 1869 bildeten sich Zusammenschlüsse der selbstständigen Landesverbände des Roten Kreuzes. Am 25 Januar 1921 schließlich entstand aus der föderativen Arbeitsgemeinschaft der 26 Landesvereine und verschiedener Nebenorganisationen der Gesamtverein "Deutsches Rotes Kreuz e.V." (16)